"Romantische Liebe"

Ich habe in meinem letzten Beitrag den Begriff der „romantischen Zweierbeziehung“ vewendet, ohne zu erklären, was ich damit meine. Dies möchte ich an dieser Stelle nachholen.

Die meisten Menschen suchen „den Richtigen“ oder „die Richtige“, suchen ihre „bessere Hälfte“, „ihren Deckel“. Bereits in unserer Sprache ist das romantische Liebesideal des einen (in der Regel „gegengeschlechtlichen“ und heterosexuellen) Menschen, der uns komplett macht, tief verwurzelt. Die „wahre Liebe“ soll darin bestehen, dass wir unser „Gegenstück“ finden, das uns glücklich macht und das wir glücklich machen. Es macht Knall und Bäm und Düsch und plötzlich sind da überall Schmetterlinge – so soll es sein und so soll es vor allem nur einmal gehen. (Dass es selbstverständlich ist, sich nacheinander in mehrere Menschen zu verlieben, also immer mit etwas, teilweise aber sogar ziemlich geringem zeitlichen Abstand, scheint dabei niemanden stutzig zu machen. Aber gleicheitig soll es angeblich nicht möglich sein.) Ich will hier keine lange geschichtliche Abhandlung schreiben, aber vielleicht so viel: Die romantische Liebe ist nicht so alt, wie es manchmal scheinen mag, sondern allenfalls etwa 200 Jahre. Damals setzte sich die Ansicht durch, Menschen sollten einander nicht mehr des Einflusses oder Geldes wegen heiraten, sondern aufgrund von Liebe. Nun hat die Ehe gerade in den letzten Jahrzehnten massiv an Einfluss verloren und die Scheidungsrate ist hoch, aber ihr Ideal liegt auch nicht-ehelichen Zweierbeziehungen zugrunde, die lediglich auf den Eheschwur verzichten, ansonsten aber ganz ähnlich funktionieren sollen. Grundlegend ist der Gedanke, es gäbe genau zwei Menschen, die einander „wirklich“ lieben würden und die dann möglichst lebenslang glücklich „zusammen“ sind.

Wenn ich die romantische Liebe kritisiere, so tue ich dies vor allem aus zweierlei Gründen. Der eine besteht in der Exklusivität romantischer Beziehungen. Sie sehen es nicht vor, dass ein Mensch mehrere Menschen liebt, sondern gehen immer vom „Liebespaar“ aus, eben von zwei Hälften, die zueinander finden. Sie beschränken, so „romantisch“ und positiv sie auch klingen mögen, somit das, was an Liebe ansonsten vielleicht gelebt werden könnte. Sie sind in ihrer Art keineswegs in besonderen Maße liebevoll, sondern verhindern Liebe. (Dazu schrieb ich auch etwas in meinem Beitrag zu „Beziehungen“ und „Freundschaften“.)

Mein zweiter Kritikpunkt ist der, dass romantische Liebe suggeriert, man sei ein unvollständiger Mensch, solange man keine Zweierbeziehung eingegangen ist, denn schließlich sei man dann ja ohne „bessere Hälfte“ oder ohne „Deckel“. Es wird das Bild geschaffen zweier Menschen, deren Bedürfnisstrukturen einander perfekt ergänzen. Man soll einander alles sein können und alle Wünsche des anderen erfüllen. Ohne „den“ anderen Menschen sei man nicht komplett, sodass man ihn suchen müsse. Hier wird zunächst unterschlagen, dass es auch Menschen gibt, die bewusst keine Zweierbeziehung eingehen und damit auch völlig zufrieden sind. Das macht sie nicht zu unvollständigen Menschen, denn jeder Mensch ist an sich schon komplett.

Ich lehne die Idee ab, zwei Menschen hätten sich zu vervollständigen. Es gibt immer Bedürfnisse, die man mit einem anderen Menschen vielleicht nicht teilen kann. Und das ist auch völlig in Ordnung, denn man muss nicht immer alles miteinander teilen können und vielleicht gibt es ja andere Menschen, die diesbezüglich etwas mit einem gemeinsam haben. Einen Menschen, der, einem letzten Puzzleteilchen gleich, zu uns passt, wie es die romantische Liebe suggeriert, gibt es nicht. Und ich finde es auch wichtig, dass sich Menschen als eigenständige Individuen behaupten und nicht nur noch als „Paar“ bestehen, wie es das Bild der zwei Hälften propagiert. Jeder Mensch hat seine eigenen Bedürfnisse und Träume, an deren Verwirklichungen er sich versuchen sollte und sofern das teils mit einem anderen Menschen funktioniert, ist das wunderschön, aber kein Grund, sich als eigenständigen Menschen aufzugeben und fortan nur noch alles zusammen machen zu wollen, als wären alle anderen Menschen egal geworden außer dieser eine.

Liebe kann nicht heißen, füreinander zu leben; zunächst einmal muss jeder für sich selbst leben, am besten mit Respekt auch vor den Wünschen des anderen, die man vielleicht nicht teilt. Dass es die gibt, wird zwar oft nicht gerne gesehen, aber doch ist dem so. Und wenn es nur ist, dass der_die Partner_in vielleicht nicht gerne auf Partys geht, man selbst abends aber gerne mal auf eine gehen möchte. Dann kann man entweder Schluss machen und sich jemanden suchen, mit dem das möglich ist, oder man akzeptiert das eben so, akzeptiert den geliebten Menschen, und geht vielleicht mit jemand anderem weg, der da Lust drauf hat.

Die romantische Liebe schließt einerseits Menschen und weitere „Beziehungen“ aus, und andererseits konstruiert sie Abhängigkeiten und Überforderungen, indem sie einen Menschen viel zu viel aufbürdet, nämlich die Aufgabe, ganz allein einen anderen Menschen gänzlich glücklich zu machen und sich ggf. auch seinen Anforderungen anzupassen bzw. auf die Erfüllung eigener Bedürfnisse zu verzichten, sofern diese mit dem anderen nicht lebbar sind. Das mag phasenweise oder in einigen Fällen auch längere Zeit funktionieren, aber meistens steht am Ende wohl einfach die Frustration, die sich oft dann entlädt, wenn Beziehungen sehr unschön auseinandergehen.
Ich ziehe dem auf jeden Fall die offene Kommunikation zweier Menschen vor, die aneinander nicht den Anspruch haben, schlichtweg alles miteinander teilen zu können oder gar zu müssen. Ich möchte auch nicht, dass jemand etwas nur „mir zur Liebe“ macht. Das ist meinen Augen einfach nur eine ziemlich üble emotionale Erpressung, wenn der_die andere das eben nicht möchte.

Was Menschen mit mir teilen, soll für sie auch schön sein, und ich werde auch nichts machen, was meinen eigenen Bedürfnissen widerspricht, nur weil es jemand von mir erwartet. Damit ist nicht gemeint, dass man nicht auch mal etwas machen kann, was man selbst eigenständig vielleicht nicht angestoßen hätte. Solange man sich selbst damit nicht unwohl fühlt, kann man natürlich etwas mit dem_der anderen machen, worauf man selbst vielleicht nicht gekommen wäre, was für den_die andere_n aber schön ist. Nur sollte respektiert werden, wenn man einander nicht jedes Bedürfnis erfüllen kann; das ist weder die Aufgabe eines anderen Menschen, noch meine. Ich wünsche mir einfach eine offene Kommunikation über konkrete Bedürfnisse, das Entdecken von Gemeinsamkeiten, die für beide schön sind, während es eben kein Drama ist, wenn man mal nicht miteinander konform geht, weil das eben nicht gleichbedeutend ist mit einem grundlegenden Verzicht auf die Erfüllung eines Bedürfnisses, weil man einander auch nicht vorschreibt, was mit anderen zu sein hat und was nicht.

2 Gedanken zu “"Romantische Liebe"

  1. Ich bin völlig deiner Meinung. Romantische Liebe verlangt Verschmelzung mit dem Parter. Und nur so fühlen wir uns GANZ.
    Das scheint auf Dauer oft nicht gut zu gehen.
    Nur was ist statt dessen hilfreich ? Die Beziehung zu verlassen wenn die Liebe schwindet? Polygamie? Akzeptieren dass unserer Traumprinz auch nicht unfehlbar ist und der romantischen Liebe das Konzept der Parterschaft ( Partnerschaft ist nicht bedingunglos, romantische Liebe ist es schon)hinzufügen ? Ich denke das gibt es viele Wege…

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