Sicherheit und Monogamie

Ich möchte hier kurz ausführen, warum ich mich in einer offenen Beziehung viel sicherer fühle als ich mich je in einer monogamen Beziehung sicher fühlen könnte. Merkwürdigerweise halten die meisten Menschen Eifersucht in offenen/polyamoren Beziehungen für eine viel größere Bedrohung als in monogamen. Ich würde hingegen behaupten, dass in nicht-monogamen Beziehungen Eifersucht zwar durchaus häufiger thematisiert und vielleicht auch empfunden wird, die Bedrohung dort aber eine geringere ist.

Wenn man einem geliebten Menschen, der noch in einen anderen Menschen sich verliebt hat*, die Entscheidung abverlangt, bei wem er bleiben und zu wem er den Kontakt abbrechen wolle, macht man das Ende ja erst notwendig, das man am meisten fürchtet. Die Wahrscheinlichkeit, dass eine Beziehung endet, ist genau in dem Moment am größten, da der Anfang einer anderen Beziehung das Ende der bestehenden voraussetzt. Und so enden oft Beziehungen nicht etwa deshalb, weil zwei Menschen einander nicht mehr lieben, sondern weil einer von beiden noch zu einem weiteren Menschen sich hingezogen fühlt.

Was entsteht, ist nicht Sicherheit, sondern die permanente Angst, durch einen anderen Menschen ausgetauscht zu werden. Wo man nur einen Menschen an seiner Seite haben darf, wird fortlaufend verglichen, wird geschaut, wer denn „noch besser“ zu einem passen könnte und wenn man denn noch jemand anderen findet, von dem man dies annimmt, wird eben die bestehende Beziehung beendet. Unabhängig davon, dass man sie vielleicht eigentlich noch führen möchte, man auch diesen Menschen liebt. Einfach nur deshalb, weil es lediglich eine Beziehung geben darf. Es ist dieses Prinzip, dass man sich zwischen zwei Menschen entscheiden soll, dass die Verlustangst besonders präsent macht, weil tatsächlich jeder andere Mensch eine Bedrohung für die eigene Beziehung sein könnte.

In offenen Beziehungen ist dies anders. Zwar kann man auch in ihnen eifersüchtig darauf reagieren, dass ein geliebter Mensch vielleicht noch Gefühle für einen anderen Menschen entwickelt hat, aber die Konsequenzen sind überhaupt nicht vergleichbar, denn man verliert den geliebten Menschen nicht. Ich muss das Ende einer Beziehung nur fürchten, wenn es in der Beziehung selbst kriselt, nicht aber aufgrund dessen, was sich zwischen einem geliebten Menschen und anderen vielleicht tut. Und, auch wenn es diese Perspektive keineswegs so geben muss, ich halte es auch für weit wahrscheinlicher, dass Menschen auch über Jahrzehnte Liebe füreinander empfinden und deshalb Kontakt halten, als dass sie sich zusätzlich noch auf den anderen Menschen festlegen wollen in dem Sinne, dass es außer ihm keinen anderen mehr geben soll. Das liefert früher oder später meist doch einen Trennungsgrund. Dass meine zwischenmenschlichen Beziehungen nicht durch andere Menschen gefährdet werden können, empfinde ich als eine große Erleichterung.

*Es kann auch darum gehen, dass er mit anderen geschlafen hat, gekuschelt, was auch immer. Der Punkt ist lediglich der, dass sich vielleicht etwas entwickelt hat, was sich nach den Regeln monogamer Zweierbeziehungen nicht hätte entwickeln dürfen.

Hinterlasse einen Kommentar