Nachtrag zur Eifersucht III

In meinem letzten Nachtrag über Eifersucht habe ich darüber geschrieben, wie mit der Eifersucht eines anderen Menschen umgegangen werden kann. Es scheint mit jedoch auch angemessen, der Perspektive des Eifersüchtigen einen Eintrag zu widmen.

Offenheit

Dieser Punkt scheint mir zwar fast schon banal, aber manchmal ist es auch gar nicht so einfach, offen zu sein. Das trifft vor allem auf Menschen zu, die sich ihrer Eifersucht vielleicht schämen oder sie aus Angst vor einer womöglich verständnislosen oder gar empörten Reaktion des anderen nicht kommunizieren. Nichtsdestotrotz: Es führt meiner Meinung nach kein Weg an der Offenheit vorbei; selbst dort nicht, wo man mit einer destruktiven Reaktion rechnet. In diesen Fällen kann auch sachliche Kritik daran geübt werden, wie der andere auf die Eifersuchtssituation reagiert, indem man ihm erklärt, was seine Reaktion bei einem selbst bewirkt. So oder so braucht es Ehrlichkeit, denn Eifersucht kann, wo sie nicht überwunden wird, ziemlich unschön werden, und wo man sich damit abfindet, sie nicht kommunizieren zu können, ist das Beziehungsende oft absehbar. Wichtig ist auch, eventuelle Befürchtungen zu kommunizieren, selbst wenn man vielleicht Angst hat, sie könnten bestätigt werden. Nur wenn der andere um sie weiß, hat er auch die Möglichkeit, darauf einzugehen, sie einem zu nehmen.

Sagen, was gebraucht wird

Zur Offenheit kann auch gezählt werden, dass man gerade in einer Eifersuchtssituation über seine Bedürfnisse spricht. Die, die eifersüchtig sind, wissen meist am besten, ob sie Raum für sich brauchen, sie darüber reden oder mal in den Arm genommen werden wollen. Und es spricht alles dafür, das zu kommunizieren, zumal das auch dem anderen Menschen hilft, mit der Situation umzugehen. Das ist, wenn es einem nicht gut geht, mitunter gar nicht so einfach, aber ratsam.

Keine Vorwürfe, keine Beleidigungen

„Für sie_ihn hast du natürlich Zeit!“
„Nie nimmst du Rücksicht auf mich!“
„Dir geht es doch nur um den eigenen Vorteil.“

Menschen neigen oft dazu, ihr eigenes Verletztsein zu überspielen, indem sie in die Offensive gehen. Und dann kommt es manchmal zu Äußerungen wie den zitierten. Die absehbare Folge: Der andere Mensch wird in die Abwehr gedrängt, sodass er sich rechtfertigen wird und möglicherweise selbst vorwurfsvoll reagiert. Ob es dem eifersüchtigen Menschen danach besser geht, dürfte hierbei höchst zweifelhaft sein. Ich formuliere daher mal um:

„Ich fühle mich vernachlässigst, weil du für mich weniger Zeit hast als für andere.“
„Ich habe das Gefühl, als sei es dir nicht so wichtig, wie es mir geht.“
„Ich habe den Eindruck, als würdest du ungeachtet meiner Bedürfnisse vor allem an dich denken.“

Das ist für den anderen Menschen sicherlich auch nicht angenehm zu hören, aber er sieht sich in diesen Fällen nicht mit unterstellten Tatsachen konfrontiert, sondern mit Gefühlen und subjektiven Eindrücken. Deshalb wird er darauf ruhiger reagieren können und die Wahrscheinlichkeit, am Ende des Gesprächs die Befürchtungen ausgeräumt zu haben, dürfte weit größer sein, als wenn man es gleich mit Anschuldigungen begonnen hätte. Die Menschen zu beleidigen, die dem geliebten Menschen nahe stehen, weil sie es doch viel weniger verdient hätten als man selbst, mit ihm Zeit zu verbringen, und sie einem ohnehin in allem nachstünden, ist übrigens auch keine gute Idee.

Keine emotionale Erpressung

Eifersucht kann von einem Menschen auch eingesetzt werden, um so den anderen an sich zu binden oder von anderen fernzuhalten. Wer dem anderen ein schlechtes Gewissen macht, sodass dieser Schuldgefühle entwickelt, trennt ihn so unter Umständen erfolgreich von anderen. Hier muss sich also der eifersüchtige Mensch fragen, was er mit seinem Verhalten bezwecken möchte. Wo es einem wirklich nicht gut geht, sollte man das zeigen (dürfen) und dann hat auch das Bedürfnis, dass der andere Mensch noch etwas da ist, jede Berechtigung. Aber wenn man die eigene Gefühlslage dramatisiert, damit der andere Mensch sich schuldig fühlt, es einem also besser geht als man vorgibt, ist das meiner Meinung nach kritikwürdig. Denn dann geht es nur noch darum, dem anderen Steine in den Weg zu legen, und damit sollte man sich dann auf jeden Fall beschäftigen, wenn man in offenen Beziehungen leben möchte.

Sich nicht schuldig fühlen

Grundsätzlich ist es absolut legitim, eifersüchtig zu sein. Das heißt nicht, dass es erstrebenswert ist und man sich damit zufrieden geben sollte, aber Eifersucht ist kein Grund für Schuldgefühle. Und das sollte man sich auch nie einreden lassen; es ist in Ordnung, eifersüchtig zu sein und man sollte seine Eifersucht auch aussprechen dürfen, um gemeinsam mit ihr umzugehen.

Zusammenfassung

1. Es ist in Ordnung, Eifersucht zu empfinden. Wenn sie einem wirklich zusetzt, sollte sie sollte allerdings überwunden werden.
2. Hierfür braucht es Offenheit, Vorwürfe sind absolut kontraproduktiv.
3. Selbstreflexion ist mehr denn je notwendig. Schon, um niemanden emotional zu erpressen.

Da das ganze Thema ein sehr weites ist, müsste dieser Eintrag eigentlich noch viel mehr beinhalten, aber ich denke, das meiner Meinung nach grundsätzlichste steht nun hier. In der Hoffnung, dass es jemandem hilft.

2 Gedanken zu “Nachtrag zur Eifersucht III

  1. Niemand beneidet die Person, die neben ihm steht, dafür, einzuatmen. Es wäre paradox. Denn es gibt genug Luft für alle – es sei denn, man befindet sich in der bedauerlichen Situation an einem Ort zu sein, an dem die Luft zum Atmen nicht für alle ausreicht; das führt dann meines Wissens meist sehr schnell dazu, dass man sich gegenseitig an den Hals geht.
    Mit der Liebe verhält es sich aber bedauerlicherweise so – und ich lasse die Gründe dafür außen vor – dass sie, so wie die Waren auf dem Markt, nicht in Überfülle vorhanden ist; also geht das Hauen und Stechen los, unweigerlich. Und genau wie bei den Waren haben bestimmte Menschen einen leichteren Zugang zur Ressource Liebe, als andere.
    Solange das so ist, wird sich auch an dem Problem „Eifersucht“ nichts ändern, bzw. bleibt eine „Verhaltenstherapie“, wie du sie hier vorschlägst, Makulatur. Hunger kann man auch nicht wegtherapieren.

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  2. Hallo du,

    danke zunächst für deinen Kommentar. Du setzt in deiner Argumentation, das kann man so festhalten, zunächst einmal die Begrenztheit von „Liebe“ voraus. Dem widerspreche ich auf jeden Fall, weil die Zuneigung, die ich für jemanden empfinde, eben nicht abhängig ist von der, die ich einem anderen Menschen gegenüber empfinde. Auch in der Monogamie führt ja das Schließen einer neuen „Freundschaft“ nicht dazu, dass man plötzlich seine anderen „Freund_innen“ weniger gern hat. Warum auch. Mit der „Liebe“, die nicht anders „funktioniert“ als Sympathie und Zuneigung beziehungsweise die lediglich über jene hinauszeigt, ist es ganz ähnlich. Worüber wir sicher diskutieren können, sind zum Beispiel Ressourcen wie Zeit. Da kann man mit Begrenztheit argumentieren, aber nicht bei „Liebe“/Zuneigung, wie du es tust. Zeit ist nichts, wovon wir unendlich viel haben und darüber wies ich ja auch in meinen Einträgen hin. Den „Nachteil“, mit der Exklusivität einer Beziehung auch sein Vorrecht auf gemeinsame Zeit zu verlieren, will ich gar nicht in Abrede stellen. Doch dem entgegen steht der „Vorteil“, dafür gemeinsame Zeit mit anderen Menschen verbringen zu können wie es auch, ich nannte das ja schon, in „Freundschaften“ in der Monogamie Gang und Gäbe ist. Ich setze an die Stelle „der einen“ „Beziehung“ also das Netzwerk in dem Bewusstsein, damit zur Ent-Privilegisierung „der einen“ Beziehung“ beizutragen, gleichzeitig aber andere Bindungen zu stärken, die sich überhaupt erst dort entwickeln können, wo Zuneigung nicht mehr auf einen Menschen beschränkt sein soll.

    Eifersucht ist nicht wie Hunger, denn Hunger kann man nicht wegreden, Eifersucht in vielen Fällen hingegen schon. Das prominenteste Eifersuchtsmotiv ist doch zudem auch gar nicht, dass man um gemeinsame Zeit fürchtet, sondern viel mehr, dass man vom Exklusivitätsanspruch nicht lassen möchte. Sonst müsste das unverdächtige Treffen des anderen mit „Freundschaften“ ebenso kritisiert werden wie Affäre, denn zeitlich bedeutet beides, dass der andere gerade nicht da ist. Es geht dabei nicht primär um Zeit, sondern um Ausschließlichkeit von Körperlichkeit und „Liebe“. Und das ist tatsächlich eine Kopfsache, die das, was der andere mit mir hat, überhaupt nicht berührt. Ihr geht es um das, was er mit anderen nicht haben soll. Und es ist doch nicht so, als sei es für die meisten Menschen in Ordnung, wenn ihr_e Partner_in mit anderen schläft, solange sie selbst ohnehin gerade auf Arbeit sind oder dergleichen. Viele Seitensprünge bleiben auf Jahre oder gar für immer unbemerkt, woraus doch bereits folgt, dass der Seitensprung an sich überhaupt keinen Einfluss auf das Leben des Betrogenen gehabt haben kann. Er wird erst dann zum Problem, wenn er öffentlich wird. Eifersucht meint doch oft gar keine tatsächliche Gefahr wie man sie bei Hunger ja nicht abstreiten kann. Wenn ich eifersüchtig bin, dann sagt das über den tatsächlichen Zustand meiner Beziehung oder den der Gefühle des anderen für mich noch überhaupt nichts aus. Wenn der andere einen Menschen kennenlernt, den er toll findet und ich fahr danach in meinem Kopf dann den Film, dass ich dann jetzt wohl abgeschrieben sei, dann ist das, was mir da durch den Kopf geht, nicht die Wirklichkeit, sondern zunächst einmal ganz schlicht meine Angst, die dem anderen völlig absurd erscheinen kann, weil er doch total verschossen in mich ist und nie auf die Idee käme, mich „abzuschreiben“. Hunger ist identisch damit, Hunger zu haben. Aber um seine Beziehung zu fürchten, ist nicht identisch damit, dass tatsächlich etwas geschieht, das sie gefährdet. Und wenn ich so rede, rede ich ja nicht einmal poly-spezifisch. Dass man Eifersucht therapieren kann und in in manchen Fällen auch sollte, ist doch auch in dieser mono-normativen Gesellschaft Konsens; das ist potenziell Teil jeder Familien- oder Paartherapie.

    Die Argumentation, die du bringst, kann ich schon nachvollziehen insofern, dass du zurecht auf begrenzte Ressourcen verweist. Ja, damit, dass der andere Mensch dann mal keine Zeit hat, weil er sich noch mit einem anderen Menschen treffen möchte, muss man sich abfinden. Ich muss mich auch damit abfinden, wenn ich mich mit einem Menschen treffen will, mit dem ich „nur befreundet“ bin, der aber schon was vor hat. Und auch Menschen in monogamen Beziehungen müssen sich mal damit abfinden, wenn der andere gerade nicht erreichbar ist. So ist das eben, wenn der andere auch noch ein Leben abseits von mir hat, und natürlich kann das manchmal enttäuschend sein. Aber ein Grund, deshalb einer Exklusivität zuzustimmen und mit ihr all dem Schlamassel, der noch an ihr dranhängt (vordefinierte Beziehungskategorien, distanzierte „Freundschaften“, bedürfnisunabhängige Verpflichtungen etc.), ist es für mich nicht.

    lieben Gruß,
    momo

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